Mittelbayerische Zeitung: Schrecken ohne Ende / In Berlin ist zusammengekommen, was nicht zusammengehört. Doch ein Scheitern ist keine Option. Leitartikel von Christian Kucznierz
ID: 1550207
Fällen ist das richtig. Im Fall einer künftigen Jamaika-Koalition ist
das nicht so. Der Zauber, der sich dort verbirgt, ist höchtens ein
fauler. Und dabei ist das, was da in diesen Wochen in Berlin
aufgeführt wird, nicht einmal der Anfang. Es ist die Überlegung, ob
Union, FDP und Grüne überhaupt anfangen wollen, richtig zu
verhandeln. Schon jetzt wenden sich die Wähler ab; und das ist
verständlich. Hier kommt zusammen, was nicht zusammen gehört. Es war
nach der Wahl zwar schon klar, dass die Verhandlungen nicht einfach
werden. Aber wie schwer, wie zäh, ermüdend und ernüchternd sie sind,
zeigt sich spätestens jetzt, wo es angeblich in Richtung Entscheidung
geht - eineinhalb Monate nach der Bundestagswahl. Andererseits: Man
muss sich vor Augen führen, wer da am Verhandlungstisch sitzt. Ein
angeschlagener CSU-Vorsitzender, der bei den Positionen seiner Partei
in den Verhandlungen nicht klein bei geben darf, wenn er sich eine
Chance erhalten will, sich zumindest irgendeinen Posten sichern zu
können. FDP-Chef Christian Lindner kann aus eigenem Interesse ebenso
wenig von den Kernforderungen seiner Partei abrücken, hat doch genau
das Beharren auf liberalen Ur-Prinzipien den langen Marsch durch die
außerparlamentarische Opposition beendet. Interessanterweise sind es
die Grünen, die den ersten Schritt gemacht haben. Nur folgt von den
anderen keiner. Eineinhalb Monate nach der Wahl. Man muss sich das
einmal auf der Zunge zergehen lassen. Und nochmal: Die
Koalitionsverhandlungen haben noch nicht einmal angefangen. Natürlich
könnte es auch sein, dass dann, wenn man sich geeinigt hat, dass man
sich einigen kann, alles umso schneller geht. Weil die Streitthemen
abgeräumt sind, die Kompromisslinien vorgegeben, die Gemeinsamkeiten
bekannt. Die Fragen müssen aber erlaubt sein: Geht das nicht auch
ohne diese Theatralik? Brauchen wir dieses Schauspiel wirklich? Die
Antwort ist nein. Wir brauchen etwas anderes. Schwarz-Gelb-Grün hätte
echtes Potenzial, alleine schon deswegen, weil es ein neues Bündnis
auf Bundesebene ist. Selbst Union und FDP sind sich nicht mehr so
nahe, wie sie das in der Vergangenheit waren, nicht, seit Angela
Merkel der Union ihren Stempel aufgedrückt hat.
Wirtschaftsfreundlichkeit mit ökologischer Ausrichtung,
Bürgerlichkeit mit einem Hauch von Alternativität, die in vielen
bürgerlichen Haushalten doch ohnehin schon Alltag ist: Es wäre eine
Koalition, die gut in eine Zeit passt, in der die Sozialdemokratie in
Europa wie aus der Zeit gefallen scheint. Auch das übrigens wäre ein
Vorteil einer Jamaika-Koalition: Die SPD könnte sich endlich neu
finden. Sie, die Wähler und das Land hätten das verdient. Aber nein:
In Berlin verhaken sich die Unterhändler im Klein-Klein. Es gibt ja
nicht einmal das Gefühl, dass man dort miteinander will. Kein Wunder,
wenn die ersten Buhrufe von den Rängen kommen. "Aufhören" hat noch
niemand geschrien. Aber das ist nur noch eine Frage der Zeit. Dieses
Aufhören aber wäre das Ende der Regierungen unter Merkel. Eine
Neuwahl würde sie nicht überstehen. Die Fliehkräfte, die in der CSU
am Werk sind, sie setzen auch in der Schwesterpartei ein. Also wird
Merkel ein Scheitern nicht zulassen. Aber was folgt dann? Ein
Gemurkse. Zähes Ringen um gemeinsame Linien, vermutlich die kommenden
vier Jahre lang. Das ist, schaut man auf andere Länder, nichts Neues.
Für Deutschland schon. Für Populisten ist das ein gefundenes Fressen.
Auch das erkennt man mit Blick über die Grenzen. Lieber also ein Ende
mit Schrecken? Nein. Ein Scheitern würde zwangsläufig zu noch
längerem Stillstand, möglicherweise zu Neuwahlen mit einem zu
erwartenden noch stärkerem Ergebnis für die AfD führen. Jamaika muss
funktionieren. Auch, wenn das schreckliche Jahre werden könnten.
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Datum: 10.11.2017 - 20:00 Uhr
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