RTL/n-tv-Trendbarometer: Bayernwahl: Einbußen für CSU und SPD Ergebnis eines jahrelangen Vertrauensverlustes - Potential der AfD ausgeschöpft
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Die forsa-Analyse im Auftrag der Mediengruppe RTL zur Landtagswahl
in Bayern belegt: die Entwicklungen, die zu den aktuellen Ergebnissen
im Freistaat geführt haben, sind schon lange erkennbar, wurden aber
vor allem von CSU und SPD ignoriert.
Von Prof. Manfred Güllner
Von allen Wahlberechtigten im Freistaat Bayern haben bei der
Landtagswahl etwas mehr als ein Viertel (26,7 %) der CSU ihre Stimme
gegeben. Ein Jahr zuvor, bei der Bundestagswahl im September 2017,
hatte noch fast ein Drittel (30 von 100 Wahlberechtigten) die CSU
gewählt. Das ist ein Rückgang von 342.000 Stimmen und entspricht
einem Wählerschwund von 11 Prozent innerhalb eines Jahres. Von den
Wählern der CSU bei der Bundestagswahl 2017, die jetzt nicht mehr die
Christsozialen gewählt haben, gaben im Rahmen einer forsa-Befragung
am Wahlsonntag allerdings nur wenige (9%) an, sie hätten aus
Unzufriedenheit mit Angela Merkel bzw. der Bundesregierung eine
andere Partei oder gar nicht gewählt. Die große Mehrheit der
CSU-Abwanderer hat aus Unzufriedenheit mit der CSU und deren
"Abgehobenheit" und "Arroganz", wegen des Parteivorsitzenden Seehofer
oder des Ministerpräsidenten Söder bzw. wegen der als zu groß
empfundenen Nähe zur AfD die CSU am Sonntag nicht mehr gewählt.
Noch weniger Wahlberechtigte als an diesem Sonntag hatten die CSU
allerdings schon 2008 gewählt. Damals war der Anteil der CSU-Wähler
auf weniger als ein Viertel aller Wahlberechtigten (24,7%) gefallen.
Bei der Landtagswahl 2013 erhielt die CSU nur deshalb mehr Stimmen
als 2008 und 2018, weil zwei Wochen später die Bundestagswahl
stattfand. Die CSU profitierte vom positiven Sog der "Merkel-Union",
die von mehr als einem Drittel der bayerischen Wahlberechtigten
(34,2%) gewählt wurde.
Einen größeren Wählerschwund als die CSU hatte im Vergleich zur
Bundestagswahl vor einem Jahr jedoch die bayerische SPD zu
verzeichnen: Sie erhielt am gestrigen Sonntag 471.000 Stimmen weniger
als 2017. Der Rückgang von 11,9 auf ganze 7,0 Prozent (bezogen auf
alle Wahlberechtigten) entspricht einem prozentualen Rückgang von 41
Prozent. Allerdings hatte die bayerische SPD schon bei allen
Landtagswahlen in den letzten eineinhalb Jahrzehnten nur
Wähleranteile zwischen 11 (2003 und 2008) und 13 Prozent (2013).
Lediglich bei der letzten "Schröder-Wahl" 2005 konnte die SPD in
Bayern mit rund 20 Prozent erheblich mehr Wahlberechtigte zur
Stimmabgabe für die Sozialdemokraten bewegen.
Im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 gab es am Sonntag auch bei
der FDP, der Linken und der AfD Stimmenrückgänge. Die FDP büßte
407.000, die Linke 232.000 Stimmen ein - ein Wählerrückgang von 54
bzw. 51 Prozent. Und auch die AfD hatte im Vergleich zur
Bundestagswahl 2017 einen Wählerrückgang um fast 26 Prozent von 9,8
Prozent (einschließlich der NPD-Stimmen) auf 7,4 Prozent aller
Wahlberechtigten. Die AfD kam also nicht - wie am Wahlabend behauptet
- "aus dem Stand" auf ihren aktuellen Stimmenanteil, sondern sie
hatte ihr Wählerpotential schon 2017 bei der Bundestagswahl
weitgehend ausgeschöpft. Mehr Wähler als 2017 konnte sie 2018 auch
deshalb nicht gewinnen, weil sich der nach den Ereignissen in
Chemnitz formierende Widerstand gegen rechtsextreme Gewalttaten auch
im Wahlverhalten niederzuschlagen beginnt.
Mehr Stimmen als 2017 bei der Bundestagswahl erhielten bei der
bayerischen Landtagswahl nur die Grünen (plus 469.000 Stimmen) und
die Freien Wähler (plus 588.000 Stimmen).
CSU macht Freie Wähler stark
Durch die Stimmengewinne der Freien Wähler blieb das "bürgerliche"
Wählerlager (CSU, FDP und Freie Wähler) mit einem Anteil von zusammen
fast 39 Prozent so stark wie bei der Bundestagswahl, als CSU, FDP und
Freie Wähler von 40 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt wurden.
Auch das "rot-grüne" Wählerlager erhielt 2018 zusammen mit fast 20
Prozent einen ähnlich hohen Stimmenanteil wie 2017 (19,5 Prozent
aller Wahlberechtigten). Sowohl im "bürgerlichen" als auch im
"rot-grünen" Wählerlager gab es allerdings deutliche interne
Verschiebungen - von der CSU und der FDP zu den Freien Wählern im
bürgerlichen Lager und von der SPD zu den Grünen im "rot-grünen"
Lager. Hält die Entwicklung im rot-grünen Lager wie in Bayern und
insbesondere in den urbanen Regionen des Freistaats (in der einstigen
SPD-Hochburg München erhielten die Grünen mehr als doppelt so viele
Stimmen wie die SPD) auch bundesweit an (wo die Grünen mit 19 Prozent
auch schon vor der SPD mit 17 Prozent liegen), naht das Ende der
Volkspartei SPD.
Größer geworden ist im Vergleich zu 2017 auch wieder die "Partei
der Nichtwähler", die mit 28,4 Prozent (einschließlich der ungültigen
Stimmen) 2018 größer ist als die Zahl der CSU-Wähler (26,7%).
Der Hauptschuldige: Horst Seehofer
Die in Bayern bei der Landtagswahl zu beobachtende Entwicklung im
Parteienspektrum ist nicht völlig überraschend; schließlich ist der
Vertrauensschwund der CSU, von dem die Freien Wähler zunächst auf
kommunaler, dann auch auf Landesebene profitieren konnten, ja bereits
vor über einem Jahrzehnt eingetreten. Damals zelebrierte die CSU mit
Edmund Stoiber an der Spitze angesichts ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit
der Mandate im Landtag geradezu ungebremst eine Arroganz der Macht,
die viele Wähler verschreckte. Und das aktuell geringe Vertrauen zur
CSU hat auch seit einigen Jahren einen Namen: Horst Seehofer, dem die
Bayern schon 2015 ein schlechtes Zeugnis für seine Arbeit als
Ministerpräsident ausstellten. Aktuell sehen 71 Prozent aller Bayern,
aber auch 57 Prozent der CSU-Wähler und vor allem 77 Prozent der
CSU-Abwanderer in ihm den Hauptschuldigen für das schlechte
Abschneiden der CSU.
Die bayerische SPD fristet schon seit Jahrzehnten ein
Nischendasein, das nur zu Schröders Kanzlerzeiten bei
Bundestagswahlen kaschiert wurde. Das hätte die SPD schon lange ohne
die aktuell angekündigte Analyse erkennen können.
Die AfD hat mit der Bündelung der Wähler im rechtsradikalen
Spektrum (NPD, Republikaner) einschließlich der Dauernichtwähler, die
bislang wegen ihrer Abneigung gegen das gesamte politische System
nicht wählen gingen, ihr Potential ausgeschöpft.
Bedenken sollten alle Parteien bei der Aufarbeitung des
Wahlergebnisses zudem, dass die verbreitete Auffassung, immer mehr
Wähler würden sich erst unmittelbar vor der Wahl entscheiden, eine
Mär ist. Wie schon im Umfeld der Bundestagswahl zeigt auch die
aktuelle Wählerbefragung von forsa am Wahltag in Bayern, dass sich
die große Mehrheit der Wähler schon für eine Partei entscheidet,
bevor der Wahlkampf überhaupt beginnt.
Grafiken zur Analyse der Bayernwahl unter
https://kommunikation.mediengruppe-rtl.de/news/n-tv/uebersicht/
Die Meldungen und Grafiken sind mit der Quellenangabe
RTL/n-tv-Trendbarometer frei zur Veröffentlichung.
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Datum: 15.10.2018 - 14:48 Uhr
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