neues deutschland: Kommentar Regelfall Rechtsterrorismus¶

neues deutschland: Kommentar Regelfall Rechtsterrorismus¶

ID: 1731124
(ots) - 1929 explodierten vielerorts im heutigen
Schleswig-Holstein Sprengsätze - in Landratsämtern, Steuerbehörden
und Privathäusern von Beamten. Es ging den Bombenlegern um die Nöte
von Bauern, die von Beschlagnahmen bedroht waren. Bekannt ist die
Geschichte dieser schillernden und dann nach rechts kippenden
»Landvolkbewegung« aus literarischen Deutungen - im Osten durch Hans
Fallada, im Westen durch Ernst von Salomon. Und an diesen muss man
heute denken, wenn das halbe Land nach dem Mord an Walter Lübcke aus
allen Wolken fällt, wenn wieder von einer »braunen RAF« geredet wird,
als brauche man diese linksradikalen Desperados, um einen Begriff vom
Terror zu haben. Salomon beteiligte sich mit einer Bombe im Reichstag
selbst an der Kampagne des »Landvolks«. Zuvor war er Mitglied der
»Organisation Consul«. Die Gruppe ermordete 1921 und 1922 einen
früheren und einen amtierenden Minister sowie einen
Landtagsabgeordneten - und verübte einen Anschlag auf einen früheren
Regierungschef. Salomon aber wurde durch sein Mittun zum Popstar. In
der späten Weimarzeit, im Hitlerreich und auch in der frühen
Bundesrepublik feierte man ihn als Literaten - etwa für seine 1951
erschienene Selbsterzählung »Der Fragebogen«, den ersten Bestseller
der BRD. Darin spottet er über die Entnazifizierung und berichtet
nonchalant von seinen Taten. Ein Mann, der für seine Beteiligung an
der Ermordung Walther Rathenaus und für einen Mordversuch an einem
»Verräter« verurteilt wurde - weimartypisch zu nur wenigen Jahren -,
galt nach 1945 als Instanz, weil er kein Parteimitglied war und sich
Dinge herausnehmen konnte, für die andere sonst wohin gekommen wären:
Rechter Terror war in der BRD nicht nur von Anfang an präsent,
sondern quasi Folklore. Noch 1985 wurde der »Fragebogen« erstaunlich
distanzlos für den NDR verfilmt. Doch war der Rechtsterrorismus auch


praktisch immer virulent. Ein Sonderfall ist der 1952 aufgeflogene
»Technische Dienst« des »Bundes Deutscher Jugend«, der eine
»Liquidationsliste« führte: Die Gruppe wurde von der CIA finanziert
und sollte im Fall eines Kontrollverlustes loslegen. »Echt« war
hingegen die »Europäische Befreiungsfront«, die 1970 den Besuch des
DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph in Kassel durch Anschläge zu
vereiteln versuchte. Nach 1970 fliegen, während das halbe Land die
RAF jagt, neben diversen »Einzeltätern« fast jährlich rechte
Terrorgruppen auf: 1970 die »Europäische Befreiungsfront«, 1971 die
»Gruppe Hengst« und die »Nationale Deutsche Befreiungsbewegung«, 1972
die »Nationalsozialistische Kampfgruppe Großdeutschland«. 1973
gründet sich die »Wehrsportgruppe Hoffmann«, die »Gruppe Neumann«
wird ausgehoben. 1977 folgen die »Gruppe Otte« und die
»Werwolf-Gruppe« um Michael Kühnen, 1979 die »Internationalen
Revolutionären Nationalisten« und die »Werwolfgruppe Stubbemann«.
Diese Gruppen hatten meist kleinere Anschläge verübt und größere
geplant. Sie übten an Waffen und horteten solche. Manche beschafften
sich Geld durch Überfälle. Um 1980 wird es blutiger: der Anschlag auf
das Münchner Oktoberfest, der Mord am Verleger Shlomo Lewin und
seiner Frau in Erlangen, die vom »Volkssozialisten« Frank Schubert
bei einem Waffenschmuggelversuch getöteten Schweizer Grenzbeamten,
die »Deutschen Aktionsgruppen« des Manfred Roeder, denen bei einem
Brandanschlag auf eine Hamburger Asylunterkunft zwei Menschen zum
Opfer fallen, die Erschießung zweier schwarzer Amerikaner und eines
Ägypters in einer Nürnberger Disko durch Helmut Oxner, die
»Hepp/Kexel-Gruppe«, die zwei US-Soldaten mit Sprengfallen schwer
verletzt, die Brandstiftung der »Gruppe Ludwig« in einem Münchner
Swingerklub - die Liste ist schon vor der Wende lang. Und auch danach
explodiert nicht nur die Straßengewalt, sondern fallen - neben
»Einzeltätern« wie Kay Diesner - immer wieder konspirative
Zusammenhänge auf. Der deutsche Rechtsterrorismus beginnt nicht mit
dem NSU. Die Rechte brauchte keine RAF, um auf Terror zu verfallen.
Der Politologe Daniel Köhler zählt seit den 1970ern 229 Morde, 123
Sprengstoff- und 2173 Brandanschläge, zwölf Entführungen und 174
bewaffnete Überfälle. Es ist Zeit, sich diesen Regelfall endlich
wirksam zu vergegenwärtigen.



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Datum: 21.06.2019 - 17:52 Uhr
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