Unerlässlich / Kommentar von Alexandra Eisen zu medizinisch-ethischen Leitlinien
(ots) - Es ist in Deutschland - noch - unvorstellbar, dass Ärzte vor der Entscheidung stehen könnten, welchen Patienten sie intensivmedizinisch versorgen und welchen nicht, weil es an Ressourcen fehlt. Die letzten Wochen und Tage lehren uns aber, dass sich unser Vorstellungsvermögen erweitern muss. Es mag psychologisch nachvollziehbar sein, solche Gedanken aus reinem Selbstschutz nicht zuzulassen. Schneller als uns lieb war, haben wir aber die Erfahrung gemacht, dass die zuvor vielen unbekannte chinesische Provinz Wuhan nicht weit genug entfernt ist, um uns vor dem Coronavirus zu verschonen; dass drastische Einschränkungen von Grundrechten, unseres sozialen Lebens, angesichts einer Pandemie in Deutschland genau so möglich sind, wie in China, Italien, Spanien oder Frankreich. Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Angst und Empörung blicken wir nun nach Italien, wo Ärzte seit Tagen angesichts knapper Intensivbetten und Beatmungsgeräte über schwer erkrankten Covid-19-Patienten den Daumen heben oder senken müssen und Entscheidungen gegen eine Behandlung vor allem alte Menschen trifft. Auch aus Kliniken im Elsass gibt es entsprechende Berichte. Ja, das deutsche Gesundheitssystem gilt weltweit als vorbildlich. Wir sind besser aufgestellt als andere, auch europäische Länder, in denen Patienten längst daran gewöhnt sind, sehr lange auf eine Behandlung oder medizinisch notwendige Eingriffe warten zu müssen. Oder in denen am Ende der Geldbeutel darüber entscheidet, wie und ob sie eine schwere Erkrankung überleben. Deutschland hatte aber auch das Glück, im Kampf gegen das Virus mehr Vorlauf zu haben als andere Länder, und hier wurden die richtigen Weichen gestellt. Zahlreiche Kliniken halten nun freie Intensivbetten und Beatmungsgeräte vor, haben Krisenpläne, damit ausreichend Personal vorhanden ist. Die drastische Einschränkung sozialer Kontakte zur Verlangsamung der Ausbreitung kam gerade noch rechtzeitig. Und doch müssen wir uns darauf einstellen, dass die Zahl der schwer Erkrankten so schnell steigen könnte, dass auch unser Gesundheitssystem überfordert wird. Die medizinisch-ethischen Empfehlungen zur Patientenversorgung angesichts knapper Ressourcen sind deshalb unerlässlich. Dass in den deutschen Leitlinien das Alter kein Auswahlkriterium ist und bei der Behandlung von Schwerkranken nicht zwischen Corona- und anderen Patienten unterschieden wird, ist beruhigend. Auch wenn sie im Eiltempo erarbeitet werden mussten und im Detail noch Anpassungen und Diskussionen erfolgen dürften, geben die Empfehlungen den Patienten und dem medizinischen Personal ein Stück Sicherheit, beugen im Extremfall hoffentlich Willkür und Kopflosigkeit vor. Dennoch gilt: Alle Empfehlungen und Leitlinien dieser Welt können den Ärzten die schwerste aller Entscheidungen, diese Bürde, am Ende nicht abnehmen. Es ist auch für Profis, zu deren Alltag Leid und weitreichende Entscheidungen gehören, eine fast unmenschliche Aufgabe. Sollte es in Deutschland zu einer solchen Ausnahmesituation kommen, haben die Mediziner unser aller Vertrauen und Respekt verdient.
Pressekontakt:
Allgemeine Zeitung Mainz
Zentraler Newsdesk
Telefon: 06131/485946
desk-zentral@vrm.de
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/65597/4557761
OTS: Allgemeine Zeitung Mainz
Original-Content von: Allgemeine Zeitung Mainz, übermittelt durch news aktuell
Weitere Infos zu dieser Pressemeldung:Themen in dieser Pressemitteilung:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 26.03.2020 - 19:12 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1804319
Anzahl Zeichen: 3446
Kontakt-Informationen:
Stadt:
Kategorie:
Diese Pressemitteilung wurde bisher
424 mal aufgerufen.
Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"
Unerlässlich / Kommentar von Alexandra Eisen zu medizinisch-ethischen Leitlinien"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Allgemeine Zeitung Mainz (
Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum
Haftungsauschluß (gemäß
TMG - TeleMedianGesetz) und dem
Datenschutz (gemäß der
DSGVO).
Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte hält einen Austritt der FDP aus der Berliner Ampelkoalition für möglich. "Die Ergebnisse der FDP bei den vergangenen Landtagswahlen befinden sich im kaum noch messbaren Bereich", sag ...
Als demokratisch gewählter Vertretung des Volkes kommt dem Bundestag "bei der Gestaltung seiner inneren Organisation und des Geschäftsgangs ein weiter Spielraum zu". So hat es das Bundesverfassungsgericht jetzt bekräftigt - und sich dami ...
Wohin führt unsere Reise? Befindet sich Deutschland wirklich im Sinkflug? Und was bedeutet das für uns? Umfragen bestätigen regelmäßig, dass wir Deutsche uns diese Frage immer häufiger stellen - und dass wir Sorgen haben. Können wir hier noch ...