Das Virus deckt die Ungleichheit auf / Schwarze Amerikaner sterben in größerer Zahl am COVID-19-Erreger. Die Gründe dafür haben mit strukturellem Rassismus in den USA zu tun. Von Thomas J. Spang
(ots) - Das Facebook-Video des schwarzen Busfahrers aus Detroit ging um die Welt. Fast 800 000 Menschen sahen, wie sich der 50-jährige Jason Hargrove darin über eine Passagierin beschwert, die mehrere Male hustete, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Zehn Tage später war der sechsfache Familienvater tot. Einer von tausenden Schwarzen, die das Corona-Virus überproportional häufiger umbringt. Die Ungleichheit, mit der Afro-Amerikaner in den USA Opfer der COVID-19-Pandemie werden, ist erschütternd. In der überwiegend schwarzen Heimatstadt des Busfahrers, Detroit, konzentrieren sich 40 Prozent der Todesfälle in dem ansonsten mehrheitlich weißen Bundesstaat Michigan. Nicht anders die Situation Chicago, wo 70 Prozent aller Infizierten Schwarze sind, obwohl sie nur 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Bezogen auf den Bundesstaat Illinois, in dem die Midwest-Metropole liegt, machen die Afroamerikaner mehr als die Hälfte der Corona-Toten aus. Der Anteil der Schwarzen an den Corona-Opfern ist mit mehr als 70 Prozent noch höher in Louisiana, wo sich nach Hurrikan Katrina einmal mehr eine von Menschen zu verantwortende Katastrophe in New Orleans zusammenbraut. Ähnlich das Bild in anderen Südstaaten wie Alabama, Georgia, North und South Carolina. Wie auch die Zahlen in New York eine eindeutige Sprache sprechen. Obwohl sie in dem Bundesstaat nur 9 Prozent an der Gesamtbevölkerung stellen, machen sie 17 Prozent der Virus-Opfer aus. All diese Zahlen sind eine unvollständige Momentaufnahme, weil die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC nicht hinterherkommt, umfassende Daten zu liefern. Experten fürchten deshalb zurecht, dass das tatsächliche Missverhältnis in der schwarzen Minderheit noch sehr viel krasser ausfällt. Denn schon ohne das Virus haben Schwarze aufgrund ihrer langanhaltenden und strukturellen Benachteiligung deutlich höhere Sterblichkeit. In Chicago haben Afroamerikaner ein um im Schnitt 8,8 Jahre niedrigere Lebenserwartung als Weiße. Die Gründe dafür sind keine genetischen, sondern das Ergebnis institutionellen Rassismus, der sich aus mehreren Quellen gleichzeitig speist. Viele Schwarze leben in medizinisch unterversorgten Nachbarschaften, haben öfter keine Krankenversicherung und sind ohne Zugang zu gesunden Lebensmitteln vielfach mangelernährt. Sie leiden deshalb häufiger unter Diabetes, Herzerkrankungen und Fettleibigkeit, was alles bekannte Risikofaktoren sind. Die Afroamerikaner haben weniger Zugang zu Bildung und üben öfter schlecht bezahlte Service-Jobs aus. Aus dem sicheren Homeoffice zu arbeiten, kommt für die meisten nicht in Frage. Sie müssen auf der Baustelle erscheinen, an der Kasse im Supermarkt stehen oder den öffentlichen Bus fahren. Der Corona-Virus ist nicht der "große Gleichmacher", wie der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo einmal meinte. Tatsächlich lässt er die groteske Ungleichheit offen zu Tage treten, den die USA bis heute nicht überwunden haben. Wie alle Amerikaner in der Corona-Krise darunter leiden, dass Donald Trump über Wochen die eindringlichen Warnungen, seiner Experten, Geheimdienstler, Behördenchefs und Minster erst ignorierte, dann herunterspielte und nun schönredet, bezahlen die Schwarzen für dieses Versagen mehr als alle anderen mit ihrem Leben. Der Corona-Erreger und der strukturelle Rassismus sind eine tödliche Kombination, die dazu beiträgt, dass nirgendwo in der westlichen Welt so viele Tote gibt wie in den USA.
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Datum: 13.04.2020 - 20:50 Uhr
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