Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 21. Januar 2011 die jüngsten Vorfällen bei der Bundeswehr:
ID: 332676
von Joerg Helge Wagner
"Chaostage bei der Bundeswehr" titelte gestern die Online-Ausgabe
einer Hamburger Illustrierten. Das ist sicherlich boulevardesk
übertrieben, doch die Häufung ernster Vorfälle sollte die
Verantwortlichen schon alarmieren - insbesondere so kurz vor der
Bundestagsabstimmung über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats
für die Bundeswehr. Karl-Theodor zu Guttenberg, bislang Liebling der
öffentlichen Meinung, muss jetzt zeigen, dass er seinem Hang zum
Klartext auch klare Schritte - und notfalls Schnitte - folgen lässt.
Aufruhr auf einem Ausbildungsschiff, angebliche Vertuschungsversuche
bei einem Unfall in Afghanistan, geöffnete und entwendete Feldpost -
das ist nicht nur ein Imageproblem, das ist schieres Gift für die
Moral der Truppe. Einer Truppe, die zunehmend zu einer Armee im
Einsatz wird und werden soll, wie der zuständige Minister ja bei
jeder Gelegenheit betont. Nun muss er diese Truppe als Inhaber der
Befehls- und Kommandogewalt, wie es offiziell heißt, aber auch
führen. Schon aus Verantwortungsgefühl, aber auch, um seine
zahlreichen politischen Gegner zu widerlegen. Die würden ihn nämlich
nur allzu gerne vorführen: als Luftikus, als lediglich gutaussehenden
und gewandten Ankündigungsminister. Das nächstliegende ist, dass
Guttenberg die Aufklärung der drei genannten Fälle zur Chefsache
macht. Das lässt sich nicht mit ein, zwei kernigen Statements
erledigen wie die Aufregung um etwas rustikale Initiationsrituale bei
manchen Kampfeinheiten. Jetzt geht es um zwei Todesfälle und einen
eklatanten Vertrauensbruch gegenüber Soldaten im Einsatz und deren
Angehörigen. Jetzt ist ganz oben Führung gefragt. Besonders brisant
sind die beiden Fälle aus Afghanistan, zumal zwischen ihnen durchaus
ein Zusammenhang bestehen könnte: Wenn tatsächlich massenhaft
Feldpostbriefe geöffnet wurden, um die fahrlässige Tötung eines
Soldaten durch einen Kameraden auf einem Außenposten zu vertuschen,
wäre das einer der größten Skandale in der Geschichte der Bundeswehr
- vergleichbar mit dem sadistischen "Schleifer von Nagold" in den
60er Jahren oder dem massenhaften Absturz von Starfightern in den
70ern. Da offenbar auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft Gera immer
noch auf Akten der Bundeswehr wartet, muss Guttenberg maximalen Druck
im eigenen Haus erzeugen: Er sollte sich mehrfach täglich den Stand
der Dinge vortragen lassen. Im Falle der "Gorch Fock" scheint es
hingegen angebracht, durch eine zügige Ermittlung erst einmal für
Beruhigung zu sorgen - und dann klarzustellen, was bei der
Offiziersausbildung auf einem Kriegsschiff geht und was eben nicht.
Hier muss auch der Wehrbeauftragte Augenmaß bewahren. Die angehenden
Offiziere sollen ihre Soldaten später auch einmal in extrem
gefährlichen Situationen führen können. Wer diesen Beruf anstrebt,
kann sich selbst nach dem erschütternden Tod einer Kameradin nicht
einfach weigern, das für den Schiffsbetrieb Notwendige zu tun. Bei
einem Segelschiff ist das eben auch das Setzen der Segel. Wer das
erst einmal ergebnisoffen mit seinen Ausbildern diskutieren möchte,
sollte sich doch lieber einen Zivilberuf an Land suchen. Andererseits
zeugt es auch nicht von souveräner Führungsstärke, wenn die Stammcrew
das einzelnen nicht vermitteln kann und gleich von "Meuterei"
spricht. Und wie ein Kadett mit Höhenangst auf einen Dreimaster
gelangen konnte, ist ebenso zu hinterfragen - auch von dem gelernten
Gebirgsjäger Guttenberg. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de
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Datum: 20.01.2011 - 20:25 Uhr
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