Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung Regensburg zu Westerwelle und der FDP
ID: 469763
Guido Westerwelle ist gescheitert. Doch wer soll das Amt des
Außenministers übernehmen?
Wer soll es denn dann machen? Dass die FDP auf diese Frage zur
Zeit keine Antwort weiß, rettet Guido Westerwelle vorerst das Amt.
Der deutsche Außenminister hat sich mit seiner Selbstgerechtigkeit in
der Libyen-Debatte selbst ins Abseits gestellt, aber die Liberalen
können keine vorzeigbare Alternative aufbieten. Sie sind personell
ausgezehrt. Wer kennt schon Werner Hoyer, den amtierenden
Staatssekretär im Außenministerium? Will man diesen Nobody auf den
Stuhl von Hans-Dietrich Genscher setzen? Auch in der übrigen
FDP-Fraktion gibt es keinen außenpolitischen Experten von Rang und
Namen. Deutschland braucht aber einen Außenminister, der gestützt auf
seine innenpolitische Reputation unser Land im Ausland glaubwürdig
vertreten kann. Nun rächt es sich, dass die Liberalen auf ihrem
Parteitag im Mai Westerwelle nur als Parteivorsitzenden abgelöst
haben. Damals hätte der neue Parteichef Philipp Rösler reinen Tisch
machen können und müssen. Er zog im Frühjahr die sanfte Variante vor
und wechselte vom Gesundheits- ins Wirtschaftsministerium. Nur ein
gutes viertel Jahr später kann er nicht schon wieder ein neues
Ressort übernehmen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel scheut davor
zurück, jetzt ihr Kabinett zu verändern - selbst wenn die FDP einen
Ressorttausch anbieten würde. Wenn auch nur der Anschein entsteht,
diese Bundesregierung wankt, könnte das ganze Gebäude leicht
zusammenstürzen. Die Stimmung in der christlich-liberalen Koalition
ist bereits explosiv, die Schuldenkrise, der Streit um den Euro und
Milliardenhilfspakete verunsichern alle Regierungspartner. Eine
personelle Hängepartie kommt daher ziemlich ungelegen. Westerwelle
erhält daher wieder eine Bewährungschance - die wievielte eigentlich?
Dabei sollte man fairerweise einräumen, dass Westerwelles
Grundentscheidung, sich nicht am Libyen-Einsatz der Nato zu
beteiligen, in Deutschland ziemlich populär war und noch ist. Auch
wenn manche das gerne verdrängen: Führende SPD- und Grünen-Politiker
waren ebenfalls dagegen - nur redet darüber heute kaum noch jemand.
Stattdessen richtet sich die Kritik auf Westerwelle. Damit lenkt man
auch vom eigenen Versagen ab. Das gilt auch für die FDP. Rösler hat
seinen Liberalen bei der Wahl zum Parteichef versprochen, nun werde
er bald "liefern". Geworden ist daraus nichts und deshalb dümpeln die
Liberalen in Umfragen weiter bei vier oder maximal fünf Prozent
dahin. Bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin droht ein
Fiasko, die Liberalen könnten aus beiden Parlamenten fliegen. Da
braucht die liberale Boygroup um Rösler, Generalsekretär Christian
Lindner und Gesundheitsminister Daniel Bahr einen Sündenbock - und
der heißt Westerwelle. Es bleibt die Frage, wie lange Westerwelle
sich noch demütigen lassen will. Sein Parteichef und die Kanzlerin
korrigierten ihn öffentlich, für seine falsche Einschätzung der Rolle
der Nato im Libyen-Konflikt hat er sich mittlerweile mehrmals
entschuldigt - und trotzdem werden immer noch Kübel von Hohn und
Spott über ihm ausgegossen. Es ist fast schon tragisch, wie schnell
Westerwelle abgestürzt ist. Bei der Bundestagswahl 2009 erzielte die
FDP unter seiner Führung bisher nie erreichte 14,9 Prozent - nur zwei
Jahre später gilt er vielen Liberalen als Buhmann. Wenn Westerwelle
jetzt hinschmeißt, wäre das nur zu verständlich. Rösler, die gesamte
FDP-Parteiführung und die Kanzlerin wären aber noch mehr blamiert, da
sie nicht die Kraft haben, einen auf lange Sicht notwendigen Wechsel
selbst zügig zu gestalten.
von Gustav Norgall
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Datum: 29.08.2011 - 21:33 Uhr
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