Mittelbayerische Zeitung: Die GroKo wackelt weiter. Der Kompromiss zur Grundrente macht keine Fraktion richtig glücklich. Die Große Koalition bleibt eine fragile Konstruktion. Von Claudia Bockholt
ID: 1769676
Kramp-Karrenbauer. Einen "sozialpolitischen Meilenstein" feierte SPD-Chefin Malu
Dreyer. Doch außerhalb des illustren Zirkels der Koalitionäre, die den
Kompromiss zur Grundrente am Sonntag schlussendlich doch noch ausgehandelt
haben, blieb der Konfettiregen aus. Schon am Tag danach ist klar: So richtig
glücklich ist mit dieser Einigung kaum jemand. In der Bevölkerung freuen sich
zwar die einen über ein kleines Plus auf dem Konto ab 2021 - andere kritisieren
allerdings schon die Folgekosten für die kommenden Generationen. Und viele
Genossen fragen bereits jetzt, was eigentlich mit denen ist, die nur 34 Jahre
Beiträge gezahlt haben. Denn es ist ja klar, dass es für einige Rentner, vor
allem Frauen, trotz Anrechnung von Erziehungs- und Pflegezeiten nicht ganz
reichen wird. Nicht wenige Unionsabgeordnete verlangen derweil Rechenschaft
darüber, warum die SPD nun doch ohne Bedürftigkeitsprüfung davongekommen ist,
obwohl die doch im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde. Der
Wirtschaftsflügel soll sich bereits im Vorfeld mit einem mehr drohenden als
mahnenden Brandbrief an die Kanzlerin gewandt haben. Und Fraktionschef Ralph
Brinkhaus räumte am Sonntagabend ein, dass in Teilen der CDU und CSU noch
einiges an "Überzeugungsarbeit" geleistet werden müsse. Es grummelt weiter.
Weder in der SPD noch in der CDU verstummen die Kritiker der andauernden
wässrigen Kompromisspolitik. Im Gegenteil. Wer gedacht hatte, die Einigung in
letzter Sekunde würde der GroKo neue Stabilität verleihen, sieht sich getäuscht.
Das liegt auch daran, dass sowohl die SPD als auch die CDU vor wichtigen,
vielleicht richtungsweisenden Parteitagen stehen. Die SPD muss dringend eine
Führungsspitze finden, die sie vor dem endgültigen Absturz in die
Bedeutungslosigkeit bewahrt. Allein die Grundrente, die sie jetzt auf Biegen und
Brechen durchgesetzt hat, wird die SPD nicht retten. Schließlich haben auch ihre
bisherigen unbestrittenen sozialpolitischen Erfolge als Mit-Regierungspartei den
Niedergang nicht verhindert. In der CDU werden unterdessen die Stimmen derer
immer lauter, die fürchten, dass die Christdemokraten ebenfalls vom Sog der
ungeliebten Koalition in die Tiefe gezogen werden. Fast zwölf Prozentpunkte
Verlust bei der Wahl in Thüringen betrachten sie als Menetekel. Erst wurden die
Sozialdemokraten in Angela Merkels Umarmung langsam erstickt. Nun droht selbst
die eigene Partei an der müde gewordenen Kanzlerschaft Merkels, ihrem zuletzt
konturlosen, nur noch als Strippenziehen im Hintergrund wahrgenommenen Regieren
Schaden zu nehmen. Da nützt all der öffentlichkeitswirksame Jubel, die zur Schau
gestellte Eintracht nichts. Die Regierungsparteien selbst haben die Grundrente
in den vergangenen Monaten zum Schicksalsthema hochgejazzt. In weiten Teilen der
Bevölkerung sieht man das nüchterner. Die SPD-Klientel, der die "Respekt-Rente"
in erster Linie zugutekommen soll, fragt sich durchaus auch, wie gerecht ein
Wohlfahrtsstaat tatsächlich ist, der seine Segnungen mit der Gießkanne verteilt
und der offenbar nicht danach fragt, ob das alles auch nach der laufenden
Legislatur noch finanzierbar ist. Die Mittelschicht mit ihren weder ganz kleinen
noch ganz großen Einkommen, die in Deutschland besonders stark mit Steuern und
Abgaben belastet ist und von dem Segen bisher wenig abbekommen hat, fragt sich
das schon länger. Nein, die GroKo hat keinen Knoten durchschlagen, sondern nur
an einem heillos verwirrten Knäuel gezupft. Statt des großen Wurfs ist ein
kleiner Schritt gelungen - und in welche Richtung der führt, weiß vielleicht
nicht einmal die Regierung selbst.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Weitere Infos zu dieser Pressemeldung:
Themen in dieser Pressemitteilung:
Unternehmensinformation / Kurzprofil:
Bereitgestellt von Benutzer: ots
Datum: 11.11.2019 - 20:28 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 1769676
Anzahl Zeichen: 4236
Kontakt-Informationen:
Stadt:
Regensburg
Kategorie:
Innenpolitik
Diese Pressemitteilung wurde bisher 472 mal aufgerufen.
Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"Mittelbayerische Zeitung: Die GroKo wackelt weiter. Der Kompromiss zur Grundrente macht keine Fraktion richtig glücklich. Die Große Koalition bleibt eine fragile Konstruktion. Von Claudia Bockholt"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von
Mittelbayerische Zeitung (Nachricht senden)
Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).