Mittelbayerische Zeitung: SPD vor dreifacher Richtungswahl / Bis 29. November können die Genossen über ihre neue Führung entscheiden. Dabei geht es auch um den künftigen Kurs der Partei - und den Fortbestand der GroKo.
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Nerven blank in der SPD. Beim letzten "Acht-Augen-Duell" der beiden
Kandidaten-Duos um den Partei-Vorsitz ging es zwischen den Männern -
Finanzminister Olaf Scholz auf der einen sowie dem früheren NRW-Finanzminister
Norbert Walter-Borjans auf der anderen Seite - vergleichsweise ruhig zu. Die
Schärfe kam von den Frauen. Die Brandenburgerin Klara Geywitz nahm ihren
Polit-Partner Scholz gegen Kritik von Borjans in Schutz. Scholz sei nicht das
"größte existierende Problem der SPD", sondern ein verlässlicher Vizekanzler.
Außerdem habe der Hamburger zwei Mal Wahlen gewonnen, schickte sie zwei Pfeile
in Richtung der Bewerber vom linken SPD-Flügel. Die rund 425 000 SPD-Mitglieder
können noch bis zum übernächsten Freitag über das künftige Führungs-Duo
entscheiden. Damit verbunden ist zugleich eine dreifache Richtungswahl: Neben
dem und der Vorsitzenden - die abgesackte SPD versucht ihr Heil nun in einer
Doppelspitze - geht es auch um den künftigen Kurs der einstigen Volkspartei
sowie um das Schicksal der Berliner GroKo. Ein Vorzug der jetzigen Konstellation
ist, dass zwischen Scholz/Geywitz sowie Walter-Borjans und seiner Partnerin
Saskia Esken eine wirkliche Alternative besteht. Scholz und seine Partnerin
wollen die GroKo fortführen. Der gerade zusammengeschusterte Kompromiss zur
Grundrente dürfte auf ihr Konto einzahlen. Walter-Borjans und Esken hingegen
machen überhaupt keinen Hehl daraus, dass sie das ungeliebte Regierungsbündnis
mit der Union lieber heute als morgen aufkündigen möchten. Ihre Forderung für
"Nachverhandlung" des bestehenden Koalitionsvertrages ist nicht mehr als die
verklausulierte Austrittsankündigung. Was genau die beiden SPD-Linken
nachverhandeln wollen, belassen sie nämlich im Ungefähren. Sie nähren damit
zugleich die Illusion, der kleine Koalitionspartner SPD könne der Union noch
irgendwo irgendetwas abtrotzen. Aber wer "nachverhandeln" will, der will im
Grunde die Koalition sprengen. Das gilt übrigens auch für ähnlich markige
Sprüche aus der CDU, weniger aus der CSU. Überhaupt haben sich die
Christsozialen zu einer Art stabilem Eckpfeiler des jetzigen
Regierungsbündnisses gewandelt. Das sah vor Jahresfrist noch ganz anders aus.
Wie auch immer die Entscheidung in der SPD ausfallen wird, glücklicher dürfte
die Partei mit dem Mitglieder-Entscheidungsmarathon nicht geworden sein. Nach
dem überraschenden Rückzug von Andrea Nahles in den Polit-Vorruhestand Anfang
Juni erlebte die Partei eine Art Schockstarre. Anstelle von Nahles führt eine
Art Not-Trio die Partei. Und der zutiefst verunsicherten Parteispitze fiel
nichts Besseres ein, als auf die Karte Mitgliedervotum zu setzen. Das mag gut
gemeint gewesen sein, doch in der Praxis haben 23 Vorstellungsrunden mit acht
Kandidaten-Teams und einem tollkühnen Einzelbewerber aus Bayern eher für
Stirnrunzeln gesorgt. Die SPD-Mitglieder und erst recht die breite
Öffentlichkeit haben schlicht den Überblick verloren, wofür die Bewerber
eigentlich stehen. Aber damit nicht genug, könnte die Verwirrung nach dem
jetzigen Mitgliedervotum sogar noch weitergehen. Die Entscheidung ist nicht
bindend. Und letztendlich wird der Parteitag Anfang Dezember in Berlin über die
Besetzung der SPD-Führungsposten entscheiden. Und der Partei-Kongress könnte
sich durchaus über ein - möglicherweise knappes - Mitgliedervotum hinweg setzen.
Das aber würde einen Spaltpilz wuchern lassen. Doch den hat sich die SPD-Spitze
durch ungeschicktes Management selbst ins Haus geholt.
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Datum: 19.11.2019 - 19:04 Uhr
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