Zwiespältige Wohnungsbilanz / Trotz milliardenschwerer Förderung und besserem Mieterschutz bleibt bezahlbarer Wohnraum ein Riesenproblem. Von Reinhard Zweigler
(ots) - Die Pandemie hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig die Wohnung, vielleicht gar die eigenen vier Wände, vor allem aber bezahlbares, gutes Wohnen sind. Wer im Homeoffice arbeiten muss oder will, wer Arbeit, Kinder, Hausarbeit in räumlicher Nähe unter einen Hut bringen muss, der schätzt ein gutes Zuhause, egal ob gemietet oder im Eigentum. Allerdings fällt die Bilanz nach der im September 2018 mit viel Tamtam ins Leben gerufenen Wohnraumoffensive der Bundesregierung zwiespältig aus.Dabei kann man der schwarz-roten Koalition nicht vorwerfen, sie habe nichts getan. Aber ein wenig erinnert die Wohnungspolitik an das Märchen vom Hasen und Igel. Was der Bund auch unternommen hat, das Problem ausreichend bezahlbaren Wohnraums, vor allem in den großen Städten und Ballungszentren, rief noch jedes Mal wie das Stacheltier: Ick bin all hier. Dabei bezuschusst der Bund den lange sträflich vernachlässigten sozialen Wohnungsbau mit über einer Milliarde Euro jährlich und hat, damit der warme Regen aus der Bundeskasse überhaupt an die Länder fließen kann, sogar das Grundgesetz geändert. Das Wohngeld wird zudem laufend erhöht. Mieterrechte werden durch Mietpreisbremse und Kappungsgrenze gestärkt. Es gibt ein milliardenschweres Baukindergeld für junge Familien und Anreize für Investoren, neue Wohnungen zu errichten. Allein, das alles reicht nicht aus. Und das gestrige Eigenlob von Bauminister Horst Seehofer war, jedenfalls zum Teil, nicht gerechtfertigt.Dabei geht es weniger um statistische Zahlen, ob bis Ende des Jahres in dieser Wahlperiode wirklich 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden oder ein paar weniger. Wichtiger sind die Strukturen, wie viele davon etwa Wohnungen mit Sozialbindung sind, die sich Haushalte mit kleinem Budget leisten können. Die Lücke wird sogar immer größer, wenn zwar 25 000 Sozialwohnung jährlich neu gebaut werden, aber gleichzeitig 46 000 die Sozialbindung verlieren.Wenn in München, Frankfurt/Main, Stuttgart, in Regensburg und anderen Universitätsstädten der Markt für erschwingliche Quartiere leer gefegt ist, dann offenbart das ein gravierendes soziales Problem. Wenn Haushalte, die es ohnehin nicht üppig haben, über die Hälfte ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten ausgeben müssen, wenn bei Wohnungsbesichtigungen Hunderte Leute erscheinen, wenn Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern praktisch keine Chance haben, dann kann von Entspannung auf dem Wohnungsmarkt keine Rede sein.Vor der Größe der Aufgabe versagt die schlichte Formel: es müsse einfach mehr gebaut werden und der Markt werde es schon richten. Es wird derzeit durchaus viel gebaut in Deutschland. Nur leider entstehen zu viele teure Wohnungen. Und es wird spekuliert - mit Bauland und mit Wohnungen als reine Renditeobjekte. Große Immobilienkonzerne schlagen zudem aus der Knappheit noch kräftig Profit. Einige sogar mit Wohnungen, die zuvor der öffentlichen Hand gehörten.Auf der anderen Seite veröden zahlreiche Innenstädte und - teils denkmalgeschützte - Dorfkerne mit schönen alten Häusern werden entleert, während an der Peripherie von Gemeinden neue Wohnungen auf freiem Feld entstehen. Dem Problem kommt man freilich nicht bei, indem man den Bau von Einfamilienhäusern verbieten, Immobilienkonzerne enteignen oder Mieterhöhungen gesetzlich stoppen würde, sondern indem die Anreize für verdichtetes, umweltschonendes Bauen wirksam erhöht werden. Es muss künftig mehr und vor allem bedarfsgerecht gebaut werden.
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Datum: 23.02.2021 - 19:41 Uhr
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