Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur bayerischen Schulpolitik/Spaenle/Schuljahresstart: "Wunsch und Wirklichkeit"
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dieses Motto stellte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle seine
Pressekonferenz zum Schuljahresstart. Dabei präsentierte er durchaus
Verbesserungen - doch ganz so rosig, wie der Minister glauben machen
will, sieht es an Bayerns Schulen nicht aus. Dass auf einen Lehrer
heute weniger Schüler kommen als noch vor fünf Jahren, ist zunächst
einmal positiv. So können die Kinder und Jugendlichen besser
individuell gefördert werden. In die Berechnung des Ministeriums
fließen aber nicht nur die Teilzeitkräfte mit ein, sondern auch die
kleinen Grund- und Mittelschulen im ländlichen Raum, bei denen das
Betreuungsverhältnis ohnehin deutlich besser ist. Ein Schritt in die
richtige Richtung ist die Ausweitung des Modellversuchs "Flexible
Grundschule", bei dem Kinder die ersten beiden Jahrgangsstufen
wahlweise in einem, zwei oder drei Jahren durchlaufen können, von 20
auf 80 Schulen. Anstatt die Kinder aber weiterhin nach der vierten
Klasse auf die weiterführenden Schulformen aufzuteilen, sind viele
Eltern für ein längeres gemeinsames Lernen. 60 Prozent sprachen sich
in einer aktuellen Emnid-Umfrage für eine Aufteilung erst nach der
sechsten Klasse aus. Auch bei den Ganztagsschulen klaffen Wunsch und
Wirklichkeit teils weit auseinander. Einer im Juni veröffentlichten
Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge werden nirgendwo in
Deutschland anteilig weniger Kinder ganztägig unterrichtet als in
Bayern. Nur jeder zehnte Schüler (10,5 Prozent) nutzte ein
Ganztagsangebot - im Bundesdurchschnitt sind es 28,1 Prozent. Laut
der Emnid-Umfrage würden aber 70 Prozent der Eltern eine
Ganztagsschule bevorzugen. Bayern hole hier massiv auf, versprach der
Minister und kündigte für das kommende Schuljahr einen Ausbau der
gebundenen Ganztagszüge und offenen Ganztagsgruppen an.
Elternverbände kritisieren jedoch, dass nur diejenigen Schulen
Ganztagsschule werden dürfen, die mindestens auch ein Halbtagsangebot
haben. Gerade kleinere Schulen, die nur einen Zug anbieten können,
fallen hier oft heraus - Eltern und Schüler haben das Nachsehen. In
Zeiten, in denen oft beide Elternteile arbeiten müssen, damit das
Einkommen reicht, und die Zahl der Alleinerziehenden steigt, ist das
eine unsinnige Regelung. Daran zu rütteln, wäre aber wohl schlicht zu
teuer: Allen Schülern Zugang zum gebundenen Ganztag zu ermöglichen,
würde den Freistaat der Bertelsmann Stiftung zufolge 1,7 Milliarden
Euro kosten. Für Schlagzeilen sorgte vor wenigen Wochen die Meldung,
dass zum kommenden Schuljahr rund 14 000 Schüler mehr als 2011
prognostiziert die Mittelschulen im Freistaat besuchen würden.
Inzwischen wurde die Zahl zwar auf 4000 herunterkorrigiert, Spaenle
sprach trotzdem von einem "Erfolg für die Mittelschule". Die Zahlen
seien ein Zeichen dafür, "dass sich diese Schulart in Bayern
etabliert und stabilisiert" habe, so das Ministerium. Das ist
allerdings Augenwischerei - denn tatsächlich sinken die Schülerzahlen
an den Mittelschulen schon seit Jahren, zuletzt von 220 000 im
Schuljahr 2010/11 auf 209 800 in diesem Schuljahr. Die wenigsten
Eltern wollen, dass ihr Kind eine Mittelschule besucht - zu schlecht
ist ihr Ruf. Hier ist die Politik gefordert, nach Lösungen zu suchen.
An den Gymnasien wurden Lehrpläne von elf Fächern gekürzt, um die
Stofffülle des G8 zu entschlacken. Eine mobile Lehrerreserve soll
dafür sorgen, dass weniger Unterricht ausfällt - das ist ein längst
überfälliger Schritt. Das Problem des Fachlehrermangels, vor allem in
Mathe und Physik, bleibt jedoch bestehen. Und eine fachfremd
vertretene Stunde ist nun einmal kein Ersatz für richtigen
Unterricht. Autorin: Louisa Knobloch
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Datum: 07.09.2012 - 22:31 Uhr
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