Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu den gescheiterten Sondierungsverhandlungen, Autor: Christian

Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu den gescheiterten Sondierungsverhandlungen, Autor: Christian Kucznierz

ID: 1553471
(ots) - Es gab einmal sogenannte Radio-Eriwan-Witze.
Ihr Ziel war es, in der Form von fiktiven Anfragen an einen fiktiven
Radiosender den Menschen die Absurdität des Sozialismus vor Augen zu
führen. Einer dieser Witze ging so: "Wäre die Katastrophe von
Tschernobyl vermeidbar gewesen? Antwort: Im Prinzip ja. Wenn nur
nicht die Schweden alles ausgeplaudert hätten." Nun ist die
gescheiterte Sondierung für ein mögliches Jamaika-Bündnis kein Grund
zur Freude oder Gegenstand für Witze. Nur teilt sich die politische
Lage in Deutschland mit Radio-Eriwan-Witzen den Stil und die
Absurdität: Ist Jamaika möglich? Im Prinzip ja. Wenn es nicht die
Parteien gäbe. Es ist einfach, den Schwarzen Peter den Liberalen
zuzuspielen. Sie waren es, die die Verhandlungen kurz vor Mitternacht
verließen und damit die Chance einer neuen Regierungskoalition auf
Bundesebene beerdigten. Aber vielleicht waren sie auch nur
diejenigen, die aus dem Murks, der da seit vier Wochen aufgeführt
wurde, noch am ehesten Kapital zu schlagen wussten. "Wir sind die
Prinzipientreuen", schreiben sich Christian Lindner und Co. auf die
Fahnen (und werden dafür gescholten). Dabei verhielten sich CDU, CSU
und Grüne kein bisschen anders. Sie hatten nur ganz offenbar keine
Lust, ehrlich zu sein und zu sagen: "Wir haben keine Lust mehr,
Kompromisse einzugehen." Dass die Reise nach Jamaika keine
All-Inclusive-Luxus-Club-Veranstaltung wird, war von Anfang an klar.
Es war aber irgendwann so eindeutig, dass - um im Bild zu bleiben -
nicht einmal der Tomatensaft im Flieger vorhanden war, um die
Aussicht auf einen Urlaub in einer kaum bewohnbaren Hotelbaustelle
abzumildern. Keine Bewegung in den großen Streitthemen, kein Wille,
die Chance eines solchen ungewöhnlichen Bündnisses positiv zu
verkaufen. Nichts an Jamaika war attraktiv, glaubte man den
Äußerungen der Parteien. Es war, als warte man darauf, wer als Erster


aufgibt. Um dann mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Prinzipien sind in
der Politik wichtig. Es waren vor allem bei der FDP Prinzipien, die
der Partei zurück in den Bundestag verhalfen, und zwar ur-liberale.
Sie aufzugeben wäre für Parteichef Lindner gleichbedeutend mit
politischem Selbstmord. Dasselbe gilt für einen ohnehin um sein
politisches Überleben kämpfenden CSU-Chef Horst Seehofer, dasselbe
gilt für die überraschend stark aus der Wahl hervorgegangenen Grünen.
Und die Kanzlerin? Angela Merkel war es am Ende wurst, wer unter ihr
koaliert. Ihre Appelle für ein Durchhalten waren spät und wenig
überzeugend. Nun wird es an ihr sein. die Scherben aufzuheben. Dabei
kann es nur Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung geben, so
scheint es zumindest. Denn noch eine andere reitet Prinzipien: die
SPD. Niemand kann es Martin Schulz verdenken, dass er seiner Partei
eine Radikalkur gönnen will, nachdem sie in der Umarmung durch
Merkels Union wenn nicht erstickt, so zumindest leichenblass und
immer kränker wurde. Und warum sollte die SPD nun ihr Prinzip der
Kompromisslosigkeit aufgeben, nur weil die anderen auch nicht bereit
waren, ihre Prinzipien über Bord zu werfen? Man kann an seinen
Grundsätzen festhalten, so lange man will. Für das eigene Überleben
oder Wohlergehen sind feste Standpunkte sogar unabdingbar. Aber wenn
in der Politik alle an ihren Positionen festhalten, müssten Parteien
immer alleine regieren. Die Zeiten sind vorbei (außer in Bayern, aber
auch das ist nur eine Frage der Zeit, blickt man auf das erbärmliche
Bild, das die CSU derzeit abgibt). Brauchen wir also Neuwahlen? Im
Prinzip ja. Aber dann müsste die SPD die große Koalition wollen, die
sie unter ihrer jetzigen Führung ablehnt. Wobei: Könnte es sein, dass
spätestens nach einer Neuwahl die Parteien neue Vorsitzende
bräuchten? Im Prinzip ja.



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Datum: 20.11.2017 - 19:30 Uhr
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